Eine Abschlussarbeit im Rahmen der Zusatzqualifikation Draussen unterrichten an der PH Schaffhausen von Sabrina Lange.
So hat alles angefangen
Anstatt als Projekt für die Zusatzqualifikation «Draussen unterrichten» spontan den Unterricht nach draussen zu verlegen oder in NMG ein Thema zu wählen und dieses draussen zu unterrichten, habe ich mich entscheiden, für das Schuljahr 24/25 ein konkretes Thema zu wählen, dass sich wie ein roter Faden durch das Jahr durchzieht und uns begleitet. Am einfachsten schien mir hier das Thema Mathe, vielleicht, weil es früher mein Lieblingsfach war.
Ich habe mir das Thema aber auch ausgesucht, weil ich mir wünsche, dass die Schüler wieder mehr Spass an dem Fach Mathematik bekommen und auch verstehen, warum es wichtig ist diese Themen zu beherrschen. Kombiniert mit anderen Themen und mit Querbezüge zu schaffen soll Spass machen und helfen, vernetzt zu denken.
Als Ziel meiner Arbeit habe ich mir in erster Line gesetzt, für jeden Themenbereich aus dem Jahresplan des LMVZ Mathematik Klasse 6 eine Lektion draussen zu unterrichten. Dabei möchte ich nicht einfach theoretische Lektionen für draussen vorstellen, sondern alle einmal mit meiner Klasse selbst erprobt haben.
Mein Anspruch war es, diese Lektionen im Anschluss gebrauchsfertig auszubereiten und so anderen zur Verfügung stellen zu können. Dadurch erhoffe ich mir, die Hemmschwelle anderer Lehrer zu senken, und sie so zu motivieren, auch im Mathematikunterricht rauszugehen und diesen mit der Natur, Gesellschaft oder Themen des alltäglichen Lebens zu verbinden. Auf diese Art und Weise soll der sonst vielleicht eher abschreckende und theoretische Mathematikunterricht für die Schüler erlebbar werden und Freude machen.
Ein weiteres Ziel ist es, die Motivation der Schülerinnen und Schüler zu fördern und die Aufmerksamkeit zu steigern. Abwechslung und Spass fördern das Interesse an Dingen und erhöht damit die Aufmerksamkeit. Zudem ist es offensichtlich, dass bei Themen, die mir Spass machen auch schnell der Funke auf die Schüler übergeht und das ist bei mir sicher der Fall, wenn ich versuche den Unterricht erlebbar zu machen.
Als Abschluss dieser Arbeit möchte ich noch evaluieren, inwieweit diese Unterrichtsform auch den Schülern zusagt und ob sie das Gefühl haben, durch diese Form des Unterrichtes den Lerninhalt besser verstanden zu haben. Weiter möchte ich gerne wissen, ob sie diese Unterrichtsform gernhatten und wie sie sich selber einschätzen. Neben diesem subjektiven Aspekt möchte ich aber auch überprüfen, ob der Lerninhalt durch das draussen unterrichten wirklich verankert wurde. Dies soll anhand einer Gegenüberstellung in Form einer Lernzielkontrolle vergleichbar gemacht werden.
Lernzielkontrolle
Es gab im Rahmen der Zusatzqualifikation auch den Auftrag, eine Lernzielkontrolle in Form von draussen unterrichten durchzuführen. Meine Überlegung war, Interviewfragen schreiben zu lassen. Mit der Klasse in die Stadt zu fahren und Passanten zu befragen. Dann zurück in der Schule die Antworten in 3 verschiedenen Diagrammen darstellen. Um zu prüfen, ob die Diagramme richtig sind, wurden die Diagramme eingesammelt und zufällig wieder ausgetauscht mit der Aufgabe, die Diagramme auszuwerten und einen kurzen Bericht zu schreiben.
Für den Vergleich des Lernerfolgs und eine Gegenüberstellung, habe ich mich entschieden, die Lernzielkontrolle zu dem Thema Prozent, Anteil, Diagramm vom Lehrmittel auszudrucken und den Schülern unangekündigt als Vergleichswert zu geben. Natürlich nicht, bevor sie noch einen Feedbackbogen zu dem Projekt bekommen haben. Ich habe ihnen den Grund für das Vorgehen genannt und ihnen angeboten, dass, sollten sie in der traditionellen LZK besser sein als in der neuen Form, ich die bessere Note werten würde. An der Stelle sei erwähnt, dass wirklich alle SuS, obwohl sie es ja nicht hätten müssen, die LZK sehr gewissenhaft ausgefüllt haben, was mich natürlich sehr gefreut hat.
Das hatte Auswirkungen auf den Unterricht:
Anstatt die Aufgaben in Heft und Buch durchzuarbeiten habe ich mich darauf konzentriert Diagramme aus der Zeitung oder mit aktuellen Themen (Medienkonsum, Kinofilme,…) zu nutzen und zu diskutieren.
Rückblick
Das Vorhaben hat gut funktioniert. Ich konnte zu den meisten Themen eine Lektion draussen gestalten. Bei manchen habe mich mir etwas schwergetan oder es hat sich nicht ergeben zeitlich oder inhaltlich. Auch gab es sicher manche Lektionen, die ich im Nachhinein weniger gelungen fand, weil das, was ich mir überlegt hatte, nicht funktioniert hat.
In der Regel habe ich versucht in den Halbklassen rauszugehen. Das hatte den Vorteil, dass ich einen bessern Überblick hatte, wer wo ist und was macht. Besonders wenn wir einkaufen oder in der Küche waren wäre es mit 21 Schülerinnen und Schülern auf einmal zu voll geworden.
Wenn ich eine Lektion draussen unterrichtet habe, war es nie immer nur Mathe. Es haben sich automatisch andere Themen mit eingeschlichen.
Sei es durch das Sammeln von Material (TTG und NMG), das Werfen und Laufen (Sport) oder das Alter von Bäumen oder die Ernährung (NMG). Dieser Aspekt hat mir besonders gut gefallen, einfach so nebenbei zu lernen, ohne dass man es merkt. Dabei war es dann auch nicht schlimm, wenn wir mehr als eine Lektion draussen waren, da ich immer versucht habe, das mit den Themen die wir in NMG haben zu verknüpfen.
Das Ergebnis der Lernzielkontrolle war doch überraschend. Hervorzuheben ist, dass 13 Schüler durch die neue Form deutlich besser abgeschnitten haben. Bei 5 gibt es eine Abweichung um max. 0.5 und bei 3 war die traditionelle Lernzielkontrolle besser. Die Gegenüberstellung der Ergebnisse der traditionellen unangekündigten Lernzielkontrolle und der neuen Art des draussen Unterrichtens ist im Anhang ersichtlich.
Für mich bedeutet das, dass der Lerninhalt auch ohne die Bücher und Arbeitsblätter gut vermittelt werden kann.
Schülerinnen und Schüler, die vorher gut waren, sind auch weiter gut. Manche Schülerinnen und Schüler mussten sich somit der Frage stellen, ob der Lernaufwand effizient ist, den sie sonst zur Vorbereitung auf eine Lernzielkontrolle betreiben, wenn sie so eine Note bei einer fast ungesagten Arbeit bekommen, den gross vorbereiten konnten sie sich ja nicht auf unsere Aufgabe.
Warum war mehr als Hälfte besser? Zum einen sicher, weil es eine andere Form der Lernüberprüfung war. Mit der anderen Aufgabenstellung ging auch eine andere Bewertung einher. Während traditionell Fehler bzw. Punkte gezählt werden und so die Note errechnet wird, habe ich jetzt ein anderes Bewertungsschema angewandt. Hier wurde der Gesamteindruck der Leistung nach dem Prinzip «erfüllt immer», «erfüllt oft», «erfüllt meistens» und «erfüllt nicht so oft». Die gesetzten Kreuze habe ich mit Noten gleichgesetzt und dann den Durchschnitt errechnet. Das Bewertungsschema ist ebenfalls im Anhang ersichtlich.
Bei dem Feedback war interessant, dass hier nur etwas mehr als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler gerne öfter solche Lernzielkontrollen hätten. Die andere Hälfte war nicht so ganz überzeugt.
Erkenntnisse
Nicht alle Schülerinnen und Schüler sind immer motiviert rauszugehen und drücken sich gerne. Hier wusste ich schnell, wen ich mit wem eine Gruppe bilden lassen kann, so dass die Kinder motiviert werden und sich nicht gegenseitig blockieren. Grund dafür, dass die Kinder nicht gern raus gehen ist meiner Beobachtung nach zum einen sicher die Bequemlichkeit. Es ist deutlich gemütlicher auf einem Stuhl zu sitzen als sich zu bewegen. Ich hatte in beiden Klassen bisher immer ein paar Kinder, die sich wirklich überhaupt nicht gern bewegen, nicht mal in der Pause. Der andere Punkt ist meiner Meinung nach, dass sie sich bei dieser Art des Unterrichtes nicht hinter anderen Schülern und deren Leistung verstecken konnten. Es mussten alle aktiv werden in irgendeiner Art und Weise und im Klassenzimmer ist es doch leichter, «unterzutauchen» und «mitzuschwimmen».
Ich habe nicht immer das Gefühl, dass die Schülerinnen und Schüler durch seine Lektion draussen mehr gelernt haben. Aber ganz ehrlich, auch wenn sie im Unterricht ein Arbeitsblatt voll ausfüllen, heisst das ja auch nicht, dass sie alles verstanden haben und morgen noch wissen, was sie gemacht haben und wie es funktioniert. Aber ich habe gelernt, dass diese Art des Unterrichtens sogenannte Anker setzt. An diesen Ankern kann ich in der nächsten Lektion anknüpfen «Wisst ihr noch, als ihr die Brüche mit Tannenzapfen dargestellt habt,..». So kann man Situationen mit dem Wissen verknüpfen und schneller abrufen und direkt wieder vertiefen. Das ist deutlich einfacher als sich an eine der vielen Lektionen im Klassenzimmer zu erinnern.
Im Zusammenhang mit der Lernzielkontrolle die wir draussen in der Stadt und dann wieder im Klassenzimmer durchgeführt ahben würde ich sagen das Grundprinzip und der Nutzen der Rechnungen allen am Ende klar war. Ob sie jetzt ein Arbeitsblatt fehlerfrei durchrechnen können, wage ich jedoch zu bezweifeln, frage mich aber, ob das auch notwendig ist und ob sie das im anderen Fall hätten leisten können. Ich denke eher nicht. Lernen soll Spass machen und den meisten Schülern hat es Spass gemacht, mal raus gehen in die Stadt, raus aus der eigenen Komfortzone und sehen, was dann Positives passieren kann. Denn viele haben gute Gespräche gehabt oder auch Geschenke bekommen. Manche waren auch überrascht über die Antworten, die sie bekommen haben. Sicher waren auch manche frustriert über die Reaktion der Passanten und das konnten wir im Unterricht aufarbeiten.
Schlusswort
Ich fand es ein tolles Erlebnis mit den Schülern diese Herausforderung anzugehen. Dabei bin ich sehr dankbar und froh, dass sich die Schülerinnen und Schüler auf dieses Abenteuer für sie eingelassen haben. Denn auch für sie war es ein Wagnis. Und am Ende waren sie überrascht und zufrieden.
Ich habe das Gefühl, wir sollten viel mehr raus und im richtigen Leben unterrichten anstatt nur in den Schulbüchern. Oft fehlt den Kindern der Bezug zur Realität. Was kostet ein Brot? Was ist ein realistisches Gehalt? Was wiegt wie viel oder wie viel ist ein qm?
Was mich noch zum Nachdenken gebracht hat ist die Bewertung. Es ist einfach und bequem mit den vorgefertigten Lernzielkontrollen zu arbeiten. Aber oft habe ich den Eindruck, damit wird man den Schülerinnen und Schülern nicht gerecht. Letztes Schuljahr hatte ich einen Schüler, der hat im Unterricht alles perfekt gerechnet und er war sehr schnell. In der LZK hatte er dann jedoch eine 4, obwohl ich der Meinung bin er hätte sicher eine 5 verdient. Damit finde ich die neue Variante deutlich motivierender. Auf der anderen Seite sehe ich ein Problem in der Vergleichbarkeit mit der Parallelklasse. Wenn dann beide eine 5 haben, der eine so, der andere so, ist das dann vergleichbar? Muss es vergleichbar sein?
Ganz interessant ist, dass ich mir aber gar keine Sorgen mache, dass sie das Thema nicht verstanden haben und nächstes Jahr mit Lücken starten.
Viel mehr habe ich den Eindruck, dass sie nun, da sie die Zusammenhänge verstehen und Anwendungsfälle selber erstellt haben, viel besser anknüpfen, aufbauen und vertiefen können im nächsten Schuljahr. Und das ist doch, was wir wollen, oder?
Übrigens, da die Lernzielkontrolle ja übergreifend war, wurden ein paar Kriterien für die Deutschnote genutzt (Interviewfragen formulieren und Bericht schreiben) und der andere Teil für Mathe (Diagramm zeichnen und inhaltlich auswerten). Der Bereich Fragen dokumentieren habe ich jeweils halb angerechnet.