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Begriffe & Definitionen

Definitionen und Erklärungen sind immer Vereinfachungen. Gregory Bateson hätte gesagt: «The map is not the territory». Und SILVIVA arbeitet ja vor allem im Gelände….

Und dennoch finden Sie auf unseren Seiten, in unseren Newslettern, Medienprodukten und Publikationen Begriffe, die wir immer wieder verwenden. Hier sagen wir, was SILVIVA darunter versteht:

Draussen lernen ist ein breitverstandenes Konzept, das alles kompetenzorientierte Lernen ausserhalb formaler Lerngebäude oder Bildungssettings meint. Ein anderer Begriff dafür, den wir bei SILVIVA fast synonym verwenden, ist Realwelt-Lernen.

Es ist ein Konzept, das seit Jahren in Nordeuropa verwendet wird.

Im Kontext von Schule verwenden wir meist die Definition von Bentsen et al., 2021, S. 1:

  • lehrplanbasierte Lehr- und Lernaktivitäten ausserhalb des Klassenzimmers, aber innerhalb der Schulzeit
  • setting-sensitives, problembasiertes, erlebnisorientiertes Lernen
    schülerinnenzentriertes, lehrpersonengeleitetes Lernen – Einbezug von physischer Aktivität nicht als Ziel, sondern als Mittel zu pädagogischen und didaktischen Zwecken
  • regelmässige Aktivitäten auf wöchentlicher oder zweiwöchentlicher Basis.

Für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Konzept, im Englischen mit outdoor learning bezeichnet, lohnt sich ein Blick in unseren Forschungsband: High-Quality Outdoor Learning.

2015 startete SILVIVA das Projekt draussen unterrichten. Vor allem mit dem Handbuch gleichen Namens hat das Lernen draussen in der Schweiz stark an Fahrt aufgenommen.

Unser Fokus war zu Beginn hauptsächlich auf der Befähigung von Lehrpersonen: deswegen der Projekttitel «draussen unterrichten». Mit der zunehmenden Entwicklung des Projekts wurde das übergeordnete Ziel viel klarer: Kinder stehen im Fokus, denn sie haben ein Recht auf bestmögliche Potentialentwicklung. Sie haben, wie Carl Sagan sagte, ein Recht auf «Skepticism and Wonder», auf vielfältige Möglichkeiten der Weltwahrnehmung, -erfahrung und -erkundung, d.h. auf gelingendes Weltverständnis. Sie haben ein Recht auf bestmögliche Lernprozesse, auf Selbstwirksamkeitserfahrung, auf soziales Lernen.

Das bedeutet, dass die bestmögliche Unterstützung des Lernens der Kinder im Zentrum steht. Dafür braucht es allerdings Lernen und Kompetenzaufbau bei allen Beteiligten: den Lehrpersonen, Schulleitungen, PH-Dozierenden, Bildungsverantwortlichen und Eltern.

Deswegen reden wir heute von «draussen lernen». Wenn wir spezifisch vom Kompetenzaufbau der Lehrpersonen, Schulleitungen und Dozierenden reden, nutzen wir aber nach wie vor den Begriff «draussen unterrichten».

Frau und Mädchen mit Becherlupe

Wir tun es selber, wir sehen es um uns herum bei Jung und Alt: wir verbringen immer mehr Zeit mit Laptop, Tablet und Handy. Unsere Arbeit und unser Austausch mit Menschen findet immer mehr in virtuellen Welten oder Innenräumen statt.

Stichworte wie Naturentfremdung oder Natur-Defizit-Syndrom machen die Runde. Aber stimmt das überhaupt? Sind wir Menschen nicht dazu geschaffen, uns mit Technik die Natur vom Leib zu halten?

Ist Bäume umarmen sinnvoller als Technikverherrlichung? Bambi-Syndrom besser als Shooter-Games? Indianer- und Naturromantik wirklich hilfreicher als flächendeckende dauernde Vernetzung?

Wir bei SILVIVA spielen nicht das eine gegen das andere, das Drinnen gegen das Draussen polemisch aus. Aber wir nehmen zur Kenntnis: Erfahrung und Wissenschaft zeigen immer klarer, dass Lernerfahrungen mit allen Sinnen in realen Naturräumen funktionieren. Menschen scheinen Naturbezug und Naturerfahrung in hohem Mass zu benötigen, um gut leben zu können.

Deswegen versuchen wir, Lernen in und mit der Natur so breit wie möglich zu fördern.  Dieses Konzept ist seinerseits ein Teil von draussen lernen, einfach in Naturräumen.

Wir verstehen Lernen in der Natur breit: es gibt hier nicht eine richtige Form, sondern eine Vielfalt von Möglichkeiten, die an die jeweiligen Lernziele möglichst gut angepasst sein sollten. Allein schon draussen sein hilft, selbst wenn die Lektion von drinnen einfach rausgezügelt wird. Die Natur als Lernmaterial nutzen, sich in Naturphänomene vertiefen, oder Naturerlebnisse nutzbar zu machen, um grössere Fragen wie Klimawandel besser zu verstehen – solange es die Lernwirkung fördert, ist alles erlaubt.

Bei SILVIVA ist erfahrungsbasiertes Lernen zentral. Wirkungsvolles Lernen findet am besten über konkrete Erfahrungen in der realen Welt – vorzugsweise in Naturräumen – statt. Die Erfahrung, die Interaktion mit der Lernumgebung und den Mitlernenden und Kursleitenden generieren Lernmotivation und Sinnhaftigkeit. Ausserdem erhöht erfahrungsbasiertes, aktives, handelndes Lernen die Lernwirksamkeit. Siehe auch oben: Lernen in und mit der Natur.

Bei uns werden die Begriffe «Nachhaltigkeit» und «Nachhaltige Entwicklung» synonym verwendet. Insbesondere wird Nachhaltigkeit im Sinne eines zieloffenen zukunftsfähigen (Lern-) Prozesses verstanden.
Den Kerngedanken einer Nachhaltigen Entwicklung hat die Brundtland Kommission (1987) wie folgt definiert: «Eine nachhaltige Entwicklung vermag die Bedürfnisse der heutigen Generation zu decken, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse zu beeinträchtigen».
Das Leitbild Nachhaltige Entwicklung strebt eine dauerhaft tragfähige, zukunftsbeständige bzw. enkeltaugliche Entwicklung an. Nachhaltige Entwicklung ist keine fest gefügte Vision, sondern eine regulative Idee, die Menschen anleitet, gemeinsam an gesellschaftlichen Herausforderungen wie Armut, Friede, sozialen Konflikten, gelingendes Zusammenleben, übermässigen Ressourcen- und Naturverbrauch bzw. gemeinsame Ressourcennutzung usw. zu lernen, neue oder bestehende Lösungen zu suchen und bereit zu sein, diese umzusetzen. Es geht dabei um die konkrete Gestaltung des eigenen Lebens wie auch um gesellschaftliche Entscheidungen. Sie verknüpft den ökonomischen Vorsorgegrundsatz («Von den Zinsen leben, nicht vom Kapital») mit den ethischen Grundsätzen der Gerechtigkeit und Solidarität.

SILVIVA stützt sich wie die Fachkonferenz Umweltbildung auf das Konzept der starken Nachhaltigkeit: Der Mensch ist Teil der Gesellschaft und konstruiert die Wirtschaft, alle sind von einer intakten, natürlichen Lebensgrundlage abhängig (siehe Grafik rechts, oben). Das Konzept der starken Nachhaltigkeit geht davon aus, dass das Naturkapital durch kein anderes Kapital (Sach– oder Humankapital) ersetzt werden kann und stellt deshalb die Erhaltung der natürlichen Ressourcen in den Vordergrund. Alles Wirtschaften und gesellschaftliche Handeln muss sich unter Berücksichtigung inter– und intragenerationeller Gerechtigkeit an den Grenzen der Tragfähigkeit des Naturhaushaltes orientieren. (Definition aus dem Positionspapier der Fachkonferenz Umweltbildung)

Für SILVIVA ist insbesondere wichtig, dass sich Nachhaltigkeit aus einem Prinzip der Forstwirtschaft zum überlebenswichtigen Leitbild für das 21. Jahrhundert entwickelt hat.

Dieses Nachhaltigkeitsverständnis wurde mit Blick auf die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (UN Sustainable Development Goals für die Agenda 2030) weiterentwickelt zum «Stockholm Wedding Cake model» (siehe Grafik rechts, unten).

Konzept Starke Nachhaltigkeit & Stockholm Wedding Cake Modell

Naturbezogene Umweltbildung ist Teil vom Draussenlernen in der Natur. Sie vermittelt Natur- und Umweltthemen erfahrungs- und handlungsorientiert am Beispiel Natur.

Durch das aktive Erleben und Verstehen in und mit der Natur wird eine vertiefte Beziehung zur Umwelt geschaffen und damit Prozesse für umweltverantwortliches Handeln initiiert und unterstützt.

Durch die kontinuierlich mit dem Handeln verknüpfte Reflexion werden Lernprozesse zu den eigenen und gemeinsam geteilten Werten und Haltungen angestossen.

Die direkte Konfrontation von Einzelnen und Gruppen mit ihrer natürlichen Umwelt ermöglicht es, sowohl bei einer breiten Palette von Themen direkt von der Natur zu lernen (Leben und Sterben, Beziehungen, Abhängigkeiten, Anpassung, Veränderung, Kreisläufe, …) als auch etwas über die menschliche, individuelle und soziale, Natur zu erfahren. In der Natur können wir beispielhaft komplexe Konzepte wie Nachhaltigkeit, Interdependenzen oder Systemverständnis oder auch konkrete Themen wie das Leben der Eichhörnchen oder die Fortpflanzung des Löwenzahns begreifen. Die Beziehung und gegenseitige Abhängigkeit zwischen Umwelt und Mensch spielt dabei eine wichtige Rolle. So führt uns etwa ein Aufenthalt bei Wind und Wetter in der Natur oft an unsere eigenen Grenzen, oder der Rohstoff Holz kann uns zeigen, dass wir ohne Naturprodukte kein zivilisiertes Leben führen könnten.

Umweltbildung beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Mensch und Umwelt. Im Zentrum steht die Förderung der Handlungsbereitschaft und die Befähigung des Menschen zum respektvollen Umgang mit den natürlichen Ressourcen im Spannungsfeld von individuellen und gesellschaftlichen sowie ökonomischen und ökologischen Interessen. Dazu braucht es eine Umweltbildung, die eigene Erfahrungen und Wahrnehmungen ermöglicht und die Fähigkeit fördert, mit widersprüchlichen Situationen umzugehen. Zentraler Baustein von Umweltbildung ist das ganzheitliche, situierte und authentische Erfahrungslernen. Eine wichtige Basis bilden Erfahrungen in und mit der Natur. Der Erwerb von Wissen und von Handlungsstrategien gehört genauso dazu, wie die Fähigkeit und Bereitschaft, den eigenen Lebensraum aktiv und selbstbestimmt mitzugestalten.

Ohne intakte Biosphäre kann es keine zukunftsfähige, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung geben. Ohne Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen ist Nachhaltigkeit unmöglich.

Umweltbildung fokussiert genau darauf und leistet damit einen grundlegenden Beitrag zur Bildung für Nachhaltige Entwicklung. (Definition aus dem Positionspapier der Fachkonferenz Umweltbildung)

Smiley-T-Shirt und Kugel aus Pflanzen

Die Naturpädagogik gilt als historischer Ausgangspunkt für die Entwicklung der modernen Umweltbildung. Naturpädagogik schafft ganzheitliche, erfahrungsorientierte Zugänge zu abstrakteren Nachhaltigkeitsthemen wie Zyklizität, Vernetzung oder Komplexität und fokussiert dabei auf das Lernen und auf die Wahrnehmung mit allen Sinnen.

Naturpädagogik weckt über einen praktischen Ansatz Neugier und Interesse für alles Lebendige. Die Naturpädagogik möchte, dass sich die Teilnehmenden durch intensive, ganzheitliche Erfahrungen mit allen Sinnen einen Zugang zur Natur verschaffen und damit sich selbst und die Natur um sie herum wahrnehmen können. Heute ist Naturpädagogik nicht mehr wirklich sinnvoll von Lernen in und mit der Natur zu unterscheiden.

Kräuter sammeln

Die Erlebnispädagogik fördert und unterstützt Menschen zielorientiert in der Entwicklung ihrer Persönlichkeit und im sozialen Handeln. Sie versucht bewusstes, handlungsorientiertes Lernen durch gezielt gestaltete Herausforderungen zu befördern. Die Natur ist der bevorzugte Lern- und Erfahrungsraum. Die dabei gemachten Erfahrungen und Erkenntnisse sollen Menschen befähigen, ihre Lebenswelt im Alltag verantwortlich zu gestalten. (aus: Definition der Fachgruppe Erlebnispädagogik ERBINAT 2015)

In der Erlebnispädagogik dient die Natur oft als Kulisse und wird meist nicht als Lernumgebung einbezogen, denn das Erlebnis an sich steht im Zentrum. So geht es etwa um das persönliche Wohlfühlen im Wald – dass dieser Wald gerade wegen menschenverursachtem Klimawandel stirbt, bleibt unbeachtet. Oftmals wird auch das Ziel verfolgt, mit einem Erlebnis gruppendynamische Prozesse auszulösen.